TaiChiChuan – mehr als nur eine chinesische Kampfkunst
Charakter und Philosophie des Tai Chi Chuan
Das Tai Chi Chuan auch Taijijuan geschrieben wird umgangssprachlich oft auch nur als Tai Chi oder Taiji bezeichnet. Diese Bezeichnung trifft aber nicht den Inhalt des Tai Chi Chuan. Tai Chi oder Tai Gi wird im chinesischen als das absolut „Höchste“ bezeichnet, in dem alles entsteht. Bereits im ältesten Buch Chinas, dem I Ging (Das Buch der Wandlungen), wurde es erwähnt und gilt als die Mutter von Yin und Yang und beinhaltet u.a. die Wandlungsphasen der 5 Elemente (Holz, Feuer,Erde, Metall und Wasser). Der Uranfang von allem, das absolut Leere, das Nichts aus dem alles beginnt, wird als Wuji oder Wu Gi bezeichnet. Die Tai Chi Chuan - Formen werden demnach auch im Wuji eröffnet und beendet. Durch den Begriff Chuan, übersetzt als Faust, bekommt das Tai Chi Chuan seine Bedeutung als Faustkampf. Es wird oft wegen seiner langsamen, sanften und weichen Bewegungen auch als chinesisches Schattenboxen bezeichnet. Das Hauptaugenmerk liegt auf den sogenannten inneren Energien wie Jin, Qi und Shen, was für Körper, Atem und Geist steht. Der Geist bzw. die Aufmerksamkeit wird benutzt um das Chi in Bewegung zu bringen und zu lenken, das Chi aktiviert dann den Körper (die Mobilisierung folgt der Aktivierung). Geist, Atmung und Bewegung verschmelzen ineinander und werden zu einer Einheit. Die einzelnen Figuren im Tai Chi Chuan bringen in einem harmonischen Wechsel das Zusammenspiel von Yin und Yang wirkungsvoll zum Ausdruck. Tai Chi Chuan ist aber mehr als die höchste Form des Kampfes, es verkörpert eine Art Lebensphilosophie, im chinesischen auch als Dao (Lebensweg) bezeichnet. Von vielen wird Tai Chi Chuan als eine Art "bewegtes Qi Gong" bezeichnet, was zum Teil so gesehen werden kann. Heute wird das Tai Chi Chuan oft "nur" als eine reine Bewegungsmeditation zum Erhalt der körperlichen und geistigen Gesundheit angewendet wird. Tai Chi Chuan ist aber wesentlich jünger als die ersten überlieferten Qi Gong-Übungen und hatte ursprünglich auch ein ganz anderes Ziel. Entwickelt und praktiziert wurde es als eine wirkungsvolle Waffe gegen aggressive Angreifer, um deren Energie während des Angriffs zu neutralisieren bzw. mit geringen Aufwand und durch geeignete Techniken in voller Wirkung gegen die Angreifer selbst einzusetzen. Eine sehr intelligente und kraftschonende Art des Kampfes, die das Ziel des Unbesiegbaren in sich trug und aus diesem Grund u.a. auch als die höchste Form des Kampfes bezeichnet wird. Die Inhalte des Tai Chi Chuan, sein Charakter und seine Philosophie können heute noch in sämtliche Situationen des täglichen Lebens angewendet werden. Sie beinhalten die schrittweisen Erkenntnisse innerhalb einer geistigen und körperlichen Entwicklung und sind Teil des menschlichen Reifeprozesses. Diese Erfahrungen und Erkenntnisse sind die Weisheit des Praktizierenden nach vielen Jahren des Übens. Diese Entwicklung wird auch oft als "Kultivierungsprozess" bezeichnet.
Die Entstehung des Tai Chi Chuan
Die Wurzeln des Tai Chi Chuan gehen weit zurück. Der erste Begründer war angeblich der legendäre und unsterbliche Ahnherr Zhang San-Feng der zwischen dem 10. Jh. und dem 13. Jh. in den Wudang-Bergen gelebt haben soll. Der Überlieferung nach inspirierte ihn die Beobachtung eines Kampfes zwischen einer Schlange und einem Kranich, woraus die ersten Formen des Tai Chi Chuans entstanden sein sollen. Die heute bekannten Formen sind traditionell innerhalb mehrerer Familiengenerationen weitergegeben worden.
Die Stile und Formen des Tai Chi Chuan
Zwischen dem 16.- 17. Jh. begründete Chen Wangting den Chen-Stil, aus ihm entstanden zusätzlich noch der Wu-Stil, der Sun-Stil und der Yang-Stil (Yang Luchan 1799-1872). Der Yang Stil nach Yang Chengfu (1883-1936) ist heute wohl der populärste und am meisten praktizierteste Tai Chi Chuan Stil. Innerhalb des Yang-Stils wird heute nicht nur die traditionelle 108er Langform praktiziert, sondern auch verschiedene Kurzformen, wie die 24er Pekingform (Festlegung der Regierung Chinas von 1956) oder die 37er Kurzform nach Prof. Cheng Man-Ching (1901-1975). Er war einer der letzten Schüler von Yang Chengfu, der das Tai Chi Chuan vereinfacht als erster Chinese 1964 in den Westen (nach New York) brachte und die 108er Langform auf die 37 einzelnen Figuren reduzierte. Neben den Handformen und dem Tuishou (Push Hands / schiebene Hände) gibt es verschiedene Formen mit Waffen wie z.B. die Schwertformen, Formen mit Fächer, Säbel, Stock usw. Zusätzlich werden auch noch unterschiedliche Wettkampfformen sportlich ambitioniert trainiert und in nationalen und internationalen Meisterschaften ausgetragen.
Die Anwendung des Tai Chi Chuan
Durch regelmäßiges Üben können Menschen nahezu jeden Alters das Tai Chi Chuan erlernen und auch als ein weiches und sanftes Fitnesstraining für mehr Ausdauer, Beweglichkeit, Gleichgewicht und Koordination anwenden. Es harmonisiert Körper und Geist und eignet sich hervorragend als Entspannungsübung in einer sogenannten Meditation in Bewegung. Neben dem Qi Gong gehört das Tai Chi Chuan zu den heute bekanntesten Entspannungstechniken für mehr Vitalität und Gesundheit und hat viele Anhänger weltweit. Unzählige Kurse in den verschiedensten Kampfsportschulen, bei privaten Lehrern, in Verbänden, Reha-Kliniken oder auch bei den Volkshochschulen machen den Einstieg für fast Jeden möglich und relativ leicht zugänglich. Im Vergleich zum Qi Gong ist beim Tai Chi Chuan in der Regel etwas mehr Zeit und Geduld zum Erlernen der Bewegungsmuster innerhalb einer Stil-Form erforderlich. Einige Abweichungen in der Ausführung einzelner Formen sind durch die verschiedenen Überlieferungen und Schulen bedingt möglich und beeinflussen nicht die ganzheitliche positive Wirkung auf Körper, Geist und Seele.